Johann Georg Kohl: „Die Donau von ihrem Ursprunge bis Pesth“

[…] Was hätte der alte Vater der Geschichte, jener wißbegierige und forschende griechische Handelsmann, der selbst ein Mal an der Donau reiste und überall die Leute um die Herkunft und den Ursprung dieses großen Stromes befragte, was hätte Herodot darum gegeben, wenn er so mit uns auf einem so sicher zur Entdeckung der Donauquellen führenden Weg hätte fahren können.

Ihm blieben aber diese Quellen so verborgen, wie es uns noch heutigen Tages die des Nil’s sind; und er und seine Zeitgenossen stellten darüber so wunderliche Vermuthungen auf, wie man sie einst über die Quellen des Ganges hegte. – Herodot glaubte durch seine Fragen herausgebracht zu haben, daß die Donau ganz weit im westlichen Europa, auf den Pyrenäen in Spanien entspringe, und daß sie von da aus den ganzen Welttheil der Länge nach durchfließe; und noch lange Zeit nach ihm folgten die alten Geographen seiner Ansicht, die erst gründlich widerlegt wurde, als die Römer Gallien und das Rheinland kennen lernten, eroberten und doch hier nirgends die östlich fließende Donau fanden.

Der Stiefsohn des Augustus, der nachmalige Kaiser Tiberius soll der erste wahre Entdecker der Donauquellen gewesen sein. Er stand im Jahre 15. v. Chr. Geb. bei jenem berühmten Vernichtungskriege gegen die Rhätier und Vindelicier mit siegreichen Legionen am Bodensee und machte von hier aus einen Marsch gegen Norden zum Ursprunge der großen Donau, von deren Nähe ihn seine deutschen Gefangenen benachrichtigt haben mochten.

Den Schwarzwald nannten die Römer das Gebirge Abnoba, und seit jener Entdeckungsreise des Tiberius wurde und blieb es alsdann in der Welt bekannt, daß nicht die spanischen Pyrenäen, sondern der deutsche Mons Abnoba, der Schwarzwald, den Urquell jenes großen Gewässers berge, dessen Mündung schon tausend Jahre zuvor die Argonauten am Pontus Euxinus entdeckt hatten. […]

Johann Georg Kohl: „Die Donau von ihrem Ursprunge bis Pesth“. Triest: Literarisch und artistische Abteilung des Österreichischen Lloyd 1854. Kapitel „Die Schwäbische Donau“, Seite 1-2.